Hardangerjøkulen

Von Finse nach Liseth

Wieder zieht es uns Richtung Norden. Dieses Mal wollen wir eine Tour südlich vorbei am Gletscher Hardangerjøkulen machen.

Wir sind in diesem Jahr wieder zu dritt. Guido, Georg und ich.

In Liseth finden wir einen schönen Zeltplatz an einem Fluss und mieten uns hier für die erste Nacht eine kleine einfache Hütte. An diesem Punkt wollten wir unsere Wanderung beenden. Wir planten, hier das Auto stehen zu lassen und am nächsten Tag mit dem Bus nach Geilo zu fahren um von dort weiter mit dem Zug nach Finse zu kommen.

Wir nutzten diesen Tag noch für einen Besuch des Vøringsfossen in Eidfjord. Dort machte uns Georg auf seinen Fuß aufmerksam. Es hatte ihn vor 4 Tagen eine Biene gestochen. Nun zeigte sich eine starke Schwellung und Entzündung. Das musste leider ernst genommen werden. Bei einer möglichen Verschlechterung der Symptome, war eine ärztliche Versorgung leider wichtig. Eine 3 tägige Wanderung außerhalb der Zivilisation war uns unter diesen Umständen zu riskant. Ich versuchte noch eine Besserung der Entzündungszeichen mit Betaisadonnasalbe und Zwiebelwickel über Nacht zu erreichen, aber leider erfolglos. Also mussten wir um planen.

20220815_150604

Start von Finse am späten Nachmittag

Wir beschlossen erst einmal einen Arzt aufzusuchen um seine Meinung zu hören und uns für den Ernstfall ein Antibiotikum aufschreiben zu lassen. Also fuhren wir am Morgen früh mit dem Auto nach Geilo. In der Arztpraxis bekamen wir dann für 13.00 Uhr einen Termin. In der Zwischenzeit schlenderten wir ein bisschen durch den kleinen Ort und sahen uns schon mal den Bahnhof an, um nach möglichen Abfahrtzeiten zu schauen. Wir waren uns alle einig. Der Bahnhof und die Toilette waren super schön renoviert und akkurat sauber. Der beste Bahnhof, den wir bisher gesehen hatten. Im Winter ist hier sicherlich mehr los, denn Geilo liegt in einem beliebten Skigebiet und es gibt hier auch viele Hotels.   

Der Arztbesuch zog sich in die Länge, denn wir mussten dann noch über eine Stunde warten. Der Arzt und die Krankenschwestern waren aber sehr freundlich und der Arzt verschrieb uns ein Antibiotikum, welches wir bei einer Symptomverschlechterung Georg geben sollten.

So, mehr wollten wir nicht. Es kann endlich losgehen. Wir gingen wieder zum Bahnhof, an dem wir dann in die Bergbahn nach Finse einstiegen. Finse ist mit 1222,2 m der höchstgelegene Bahnhof in Nordeuropa. Hier führt auch der bekannte Rallervegen entlang, ein ehemaliger Bahnarbeiterweg, welcher heute als Fernradweg dient und ein Teil der Nationalen Fahrradroute 4 von Oslo nach Bergen ist.

Wir starten also ziemlich spät und kommen erst gegen 17.00 Uhr in Finse an. Finse besteht eigentlich nur aus einer Handvoll Gebäuden und kann eigentlich gar nicht Ort genannt werden. Wir schultern unsere Rucksäcke und machen uns auf dem Weg, östlich entlang des Gletscherberges. Den eigentlichen Gletscher können wir allerdings von hier aus noch nicht sehen. Es begleitet uns ein kräftiger Wind und vereinzelt aber auch Sonnenstrahlen, der schon recht tief stehenden Sonne.

Noch lange war Finse in unserem Rücken zu sehen und als wir endlich nur noch Natur um uns hatten, begannen wir auch schon bald nach einem Rastplatz für die Nacht zu suchen.

An einem schönen kleinen See wurden wir fündig und im Windschatten einer Felsenkante begannen wir dann mit unserem Zeltaufbau. Georg und ich sprangen noch kurz ins Wasser aber wie erwartet war es wirklich nur ein kurzes Untertauchen um den Schweiß des Tages abzuspülen und dann schnell wieder in die Sachen um wieder warm zu werden.

Georg versuchte dann, leider erfolglos, ein kleines Feuer anzufachen, aber das Holz war zu nass und so kochte ich uns eine kleine Mahlzeit auf dem Gaskocher.

Während wir uns entspannten, beobachteten wir an der gegenüberliegenden Seite des Sees zwei junge Mädchen, welche auch nach einem Rastplatz suchten. Aber jede Stelle, welche sie ansteuerten, war entweder zu sumpfig oder zu uneben. Wir waren wirklich hier an dem einzigen guten Platz weit und breit und die beiden schauten immer wieder etwas sehnsüchtig und unschlüssig zu uns hinüber, so dass wir ihnen dann anboten, ihr Zelt auch hier aufzuschlagen. Später als sie dann gackernd und kichernd abends keine Ruhe fanden, bereuten wir diesen Schritt wieder und beschlossen zukünftig doch lieber keinen Kontakt zu anderen Leuten zu suchen und lieber die Ruhe und die Natur alleine zu genießen.

Tag 2 - Blick auf den Gletscher

Der Morgen begrüßte uns dann mit einem leichten Nieselregen, Dunst und Wolken, Die beiden Mädels im Nachbarzelt schliefen noch. Während wir aber frühstückten und das Zelt abbauten, wurden sie auch wach. Ich glaube, jetzt fanden sie unsere Gesellschaft auch weniger gut. Aber vielleicht waren sie ja auch Frühaufsteher, wer weiß.

Der Weg war heute steinig und karg und führte an einem breiten Fluss entlang. Aber bald kamen wir an die Furt. Also Schuhe aus und durch, bei ungemütlichem kalten Wetter irgendwie nicht sooo schön. Unsere Regencapes flatterten im Wind und so bildeten wir die einzigen Farbtupfen in dieser kargen Einöde. Es begegnete uns heute gleich am Morgen ein Franzose, welcher nur mit einem Tarp unterwegs war. Naja, nur die Harten kommen in den Garten. Bei dem Wind und Regen und dann ohne Vegetation, das wäre nichts für mich. Der Gletscher war nicht zu sehen und der ganze Berg hüllte sich in Nebel. Irgendwann kamen wir an einen Ausläufer des Gletschers und mussten eine breite Schneezunge überqueren. Diese mündete in einen Schmelzwassersee und zeigte an ihrem Ende am Wasser ein kräftiges Gletscherblau. Mehr sahen wir aber nicht. Gegen Mittag kamen wir dann an einem klitzekleinen Tal mit einem kleinen See vorbei. Hier war es einigermaßen geschützt und wir rasteten hier und kochten uns eine Mahlzeit, bis uns wieder kalt wurde und wir weiter zogen.

Immer wieder ging es an kleinen Seen vorbei, welche die sonst trostlose Landschaft auflockerten. Da wir auch keine Weitsicht hatten, waren diese unseren einzigen Highlights. Immer wieder schauten wir Richtung Gletscher und hofften einen Blick darauf zu werfen.

Hier wurde schließlich der zweite Teil von Starwars gedreht. Der Gletscher diente als Kulisse für die Szenen auf dem Eisplaneten Hoth.

Auch Ronald Admundsen und Robert Falcon Scott bereiteten sich hier auf ihre Polarexpedition vor, da auf und um den Gletscher durchaus Bedingungen vergleichbar mit der Arktis und Antarktis herrschten. Aber wir sahen NICHTS.

Dann kamen wir an eine Stelle, an der das Seeufer bis an die Felswand reichte. Hier musste ein Stück am Felsen entlang geklettert werden. Bei einem Fehltritt landete man im eiskalten und an dieser Stelle auch nicht flachen Wasser. Klar, es war nicht lebensgefährlich, schwimmen können wir und das Ufer wäre nicht weit, aber die Situation wäre schon sehr schwierig, wenn einer von uns hinein fiel, der Rucksack schwimmt dann im Wasser, man selbst ist auch pitschnass und sofern man den Rucksack noch retten kann, hat man komplett nasse Sachen, die dann auch dementsprechend schwer sind. Das musste ich nicht haben. Also beschloss ich ein Stück zwischen den Felsen an einem Schneefeld bergauf zu gehen, um zu schauen, ob es nicht eine Alternative gibt. Es gab sie. Es musste nur ein Stück weiter nach links vom Weg hoch gelaufen werden, ein klein bisschen klettern und schon war man auch am anderen Ende, ohne was zu riskieren. Georg und ich entschieden uns, diesen Weg zu gehen. Guido wollte es aber wissen und nahm die schwierige Stelle in Angriff. Ich wies ihn aber darauf hin, die Rucksackgurte doch bitte offen zu lassen, so dass er sich im Fall eines Sturzes leichter von ihm befreien könnte. Da hat er doch glatt nicht dran gedacht. Nun ja, ich möchte meinen Mann nicht retten müssen, also lieber der Besserwisser – Hinweis.

Dann ging es weiter über Felsen, zwischen Felsen hindurch und wieder über Felsen. Georg und ich hatten hier ein wenig Schwierigkeiten. Wir hatten die gleichen Schuhe und diese erwiesen sich auf dem nassen Felsen als ganz schön glatt. Wir sind auf diesem Stück mehrmals ausgerutscht und kamen nur langsam voran. Aber es wurde dann wieder etwas grüner, auch die Wolken verzogen sich kurz und öffneten den Himmel für einen kleinen kurzen Blick auf den Gletscher. Na, geht doch. Dazu wurde die Landschaft jetzt echt schön, rechts unterhalb des Weges stauten sich große Gletscherflüsse, welche als Wasserfall herabstürzten und bis zu uns zu hören waren , zu einem eisblauen großem See Skåljrøna und vor uns dann öffnete sich ein tolles Panorama mit Blick auf das Feuchtgebiet Leirbotn. Jetzt ging es auch abwärts und wir beschlossen hier zu rasten, da der nächste Wegabschnitt durch den Sumpf führte.

Wir fanden einen schönen kleinen Teich an einer kleinen Felskante, an dessen Ufer wir dadurch auch gut windgeschützt lagern konnten. Es war zwar kühl aber die Sonne zeigte sich jetzt noch einmal kurz. Ich sprang wieder in den See und begann dann mit dem Zeltaufbau und dem Kochen. Hier war es soo schön.

Tag 3 - Durch das Leirbotn

Der nächste Tag zeigte sich wieder bedeckt aber trocken und so konnten wir uns schwer aufraffen los zu wandern. Guido drängelte, als ob wir zum Bus müssten. Aber ich wollte es gemütlich angehen lassen und so zog Guido auch vorneweg und Georg und ich hinten dran. Das Wetter ließ uns noch kurz einen Blick zum Abschied auf den Gletscher werfen und dann ging es weiter.

Das Gelände wurde wie erwartet immer sumpfiger, wir trafen zweimal andere Wanderer, welche auch ordentlich Schlammspuren an sich hatten und ahnten Schlimmes. Aber letzten Endes ging es eigentlich. Einmal bin ich ausgerutscht und gestürzt, aber glücklicherweise bedeckte hier Gras und Wasser den Boden und kein Schlamm. Nur nass war ich jetzt. Aber der Wind trocknete die Sachen schnell wieder.

Igendwann kamen wir an eine Hängebrücke. Der Weg dorthin war sehr abschüssig und wir hangelten uns Stück für Stück hinunter. Später kamen wir nochmals an einen Flusslauf. Hier fand sich aber keine Brücke. Am anderen Ufer eine Felskante, welche erklettert werden musste. Mit schweren Rucksäcken schwierig. Ich lief ein Stück den Fluss hinab und hinauf, aber es fand sich keine bessere Stelle. Glücklicherweise habe ich aus den Erlebnissen unserer letzten Wanderung gelernt und hatte Neoprenschuhe dabei. Diese erwiesen sich als äußerst nützlich und ich kam damit entspannt durch das Wasser. Guido ging zuerst vor und klettere ans andere Ufer und ich trug nun, einen nach dem anderen, Rucksäcke hinüber, dann kam Georg hinterher und so erreichten wir alle gut das andere Ufer. Was wir nicht bemerkt haben war, dass hinter uns ein Norweger auch hinüber wollte. Er musste leider warten, bis wir unsere umständliche Prozedur vollbracht hatten und sprang dann leichtfüßig von Stein zu Stein hinüber. Was müssen die Norweger nur denken, wenn sie sehen, wie wir uns anstellen.

Es ging dann steil am Berg hinunter und bald konnten wir auch den Sysenvatnet vor uns im Tal sehen (Und den Norweger, uns weit voraus). Der Sysenvatnet wird von einem 81 m hohen Damm gestaut, welcher aus Granitböcken besteht. Im Tal trafen wir dann auf eine Wegkreuzung an der wir uns rechts hielten und darum nun vor einem krassen Anstieg standen. Der Weg hier hinunter verlangte schon einiges an Kondition und nun sollte es noch steiler wieder hinauf gehen. Sowas ist ja nicht wirklich meins. Und so krochen und schleppten wir uns Meter um Meter hinauf. Georg lief, um uns zu ärgern, kleine Stücke im Dauerlauf rauf und ich schwor mir, dass sein Rucksack das nächste Mal vielleicht etwas schwerer sein wird….

Nun ja, wir sind nun mal nicht die Fittesten, aber zäh. Also erreichten wir irgendwann auch den Gipfel. Hier machten wir Rast bis der Wind uns so auskühlte, dass wir bald beschlossen weiter zu marschieren. Das nächste Wegstück hielt keine großen Höhen und Tiefen für uns bereit und wurde auch bald recht eintönig. Wir merkten heute ordentlich die Kilometer in den Beinen, aber wir fanden  hier oben keinen Platz, der uns zum Übernachten gefiel. Der Wind war recht stark und es war auch kein See zum Baden in Sicht. Also marschierten wir weiter. Irgendwann kam dann in der Ferne eine weitere Wegkreuzung in Sicht und wir erkannten den Abstieg nach Liseth.

Nun war es Zeit, einen Platz für die Nacht zu finden. Den Abstieg wollten und konnten wir heute nicht mehr schaffen. Also schwenkten wir vom Weg ab und suchten uns einen ebenen Platz für unser Zelt. Ein Stück denn Weg runter, war noch ein kleiner Teich zu sehen. Leider fand sich dort keine geeignete Stelle zum Zelten und so lief ich das Stück um dort hinein zu springen.

Der Wind wehte stetig, aber die Sonne schien und so ließen wir alle Viere gerade sein, stellten unsere Schuhe und Socken zum Trocknen auf und kochten Abendessen.

Überraschenderweise gab es hier bestes LTE Netz und der Alltag kam in digitaler Form zu uns. Verrückt.

Tag 4 - Abstieg nach Liseth

Morgens beim Zusammenpacken fühlte ich mich ein wenig wehmütig. Ich hätte jetzt tagelang so weiter wandern mögen, aber Guido zog es hinab und so machten wir uns an den Abstieg.

Es ging stetig abwärts bis die ersten Bäume wuchsen. Hier fingen Georg und ich an zu trödeln, denn überall wuchsen Pilze und wir konnten nicht vorbei. Guido lief irgendwann entnervt vor. Aber wir hatten es nicht eilig. Irgendwann trafen wir ihn dann. Er hatte ein schönes Plätzchen an einem Fluss gefunden und wir machten die letzte ausgiebige Rast auf unserer Tour. Die Zivilisation hatte uns wieder. Wir mieteten uns wieder die kleine Hütte auf dem Zeltplatz in Liseth und fuhren dann am nächsten Morgen mit dem Bus nach Geilo um unser Auto wieder abzuholen.

Schreibe einen Kommentar