Tour zum Hårteigen

Im Jahr 2020 starteten wir wieder eine Tour durch die Hardanger Vidda. Es ging von Hjølmo über Vivelit, Hadlaskardhütte. Dieses Jahr begleiteten uns unsere beiden Söhne Robert (21) und Georg (11). Die erste Nacht bevor wir losgingen, übernachteten wir noch auf dem Zeltplatz am Eidfjord.

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Tag 1 Start mit Hindernissen

Am Morgen packten wir unsere Rucksäcke, ließen alles Überflüssige im Auto und fuhren noch ein klein kleines Stück eine sehr schmale Straße den Berg hinauf zum Wanderparkplatz.

Dann ging es zu Fuß unter lichten Bäumen den Berg weiter hinauf und wir kamen ordentlich ins Schwitzen, denn dieses Jahr empfing uns Norwegen mit schönstem Sommerwetter und dieses sollte auch die nächsten Tage beständig bleiben. Es waren hier einige Leute unterwegs und der Weg war sehr gut erkennbar. Nach etwa 4 km beschlossen wir das erste Mal Rast zu machen und suchten uns einen großen Felsen an einem großen Fluss namens Rjoto. Hier bemerkte Guido, dass sich an seinen Bergstiefeln die Sohle löste. Das war super unschön, denn die nächsten 4 Tage brauchen wir gutes Schuhwerk. Wir versuchten das Ganze erst mit Gaffertape zu kleben und Guido schlug vor, notfalls mit den Crocs, welche wir mit dabei hatten, weiter zu laufen. Aber nein. Ich hatte keine Lust, hier gebrochene Knochen zu riskieren und so beschlossen wir, dass er zurück zum  Auto geht, um sich wenigstens anständige Turnschuhe aus dem Auto zu holen. Diese Tour startete wirklich mit Hindernissen. Seinen Rucksack versteckten wir im Gebüsch und beschlossen vorerst ohne ihn weiter zu wandern. Wir fertigten aus einer Rettungsdecke ein paar Fähnchen, welche wir an Wegkreuzungen befestigen wollten, damit wir uns im Falle, dass wir vielleicht doch falsch abbiegen nicht verlieren. Guido würde uns schon im Laufe des Tages wieder einholen und dabei die Fähnchen wieder einsammeln.

Es ging weiter hinauf bis über die Baumgrenze. Oben auf dem Berg angekommen öffnete sich ein grandioser Blick auf das Tal und bescherte uns in weiter Ferne einen Blick auf den Hårteigen, ein markanter großer Tafelberg inmitten der Vidda. Hier oben gönnten wir uns nochmals eine Rast.

Es wehte allerdings ein frischer Wind, welcher uns dann bald wieder aufbrechen ließ. Immer wieder konnte man jetzt in der Ferne den Hårteigen bewundern. Es sah sehr weit bis dahin aus und wir konnten es uns noch gar nicht vorstellen, dass wir ihn morgen schon erreichen würden. Zwischenzeitlich nervten uns große Pferdebremsen und versuchten an unser Blut zu kommen, also schritten wir zügig aus, um nicht selbst als Rastplatz für die Viecher zu dienen.

Als wir in Hedlo ankamen, war von Guido noch immer nichts zu sehen und so langsam fragten wir uns, ob er es heute noch schaffen kann. Wäre doof, wenn nicht, da jeder von uns einen Teil des Zeltes trug. Also machten wir wieder eine kleine Rast, um Guido nachkommen zu lassen. Irgendwann sahen wir ihn dann in der Ferne und beschlossen auch weiter zu gehen, denn jetzt waren wir ja sicher, dass wir abends wieder zusammen finden können. Wir kamen dann an eine große Wegkreuzung und beschlossen hier endgültig auf Guido zu warten, der dann endlich mit uns gemeinsam weiterlaufen konnte.

Der Weg führte jetzt oberhalb der Baumebene durch ein hügeliges grünes Tal. Der Bewuchs bestand hauptsächlich aus niedrigen Weidenbüschen. Georg lief manchmal schon voraus. An einem etwas abschüssigen Wegstück kam er mir aber mit verstörtem Gesichtsausdruck entgegen. Er berichtete, gestolpert zu sein und dann durch seinen Rucksack das Gleichgewicht verloren zu haben. Dabei fiel er mit mehreren Purzelbäumen die Böschung runter. Zurück blieb nur ein großer Schreck, denn es ist nichts passiert. Glücklicherweise war die Böschung nicht übermäßig steil und auch mit niedrigem Bewuchs bedeckt. Aber er war um eine Erfahrung reicher, denn ein Sturz mit Rucksack ist nicht zu unterschätzen, da das Gewicht, welches dann denn Fall beeinflusst, doch um einiges höher ist. Zukünftig würde er vielleicht etwas vorsichtiger sein, hoffte ich. Wir waren so langsam auch erschöpft und begannen uns, nach einem geeigneten Rastplatz mit Wasserstelle umzusehen. Guido hatte durch seine ungewollte Rückkehr am Morgen auch einige Kilometer mehr in den Beinen. Robert fühlte sich noch fit und wollte erst im Tal sein Zelt aufbauen. So ging er schon vor. Wir fanden aber keinen ebenen Platz, an dem es uns gefiel und der Fluss im Tal lockte schon ein wenig mit einem Bad. So landeten wir dann doch bei Robert, der auch schon ein schönes Plätzchen gefunden hatte. Er ging sogleich auf die Suche nach Holz, um ein Lagerfeuer zu machen. Wir hofften, dadurch ein wenig die Mücken zu vertreiben, die uns hier sofort in Scharen überfielen. Aber ich glaube, durch das Stöbern durch die Büsche beim Holz suchen, weckte er noch viel mehr der Biester. Man hielt es hier nur vermummt aus, und war richtig bedeckt von den Viechern. Aber baden wollte ich trotzdem. Das hieß dann im Zelt ausziehen, schnell in den Fluss springen und anschließend im Galopp wieder ins Zelt.

Danach kochte ich uns noch eine Tomatensuppe. In der ertranken dann auch unweigerlich noch ein paar Mücken, denn sie waren wirklich überall. Also Suppe mit Fleischbeilage.

Tag 2 Gemsenblut

Am Morgen begrüßte uns wieder schönes Wetter und wir wanderten gestärkt nach einem Frühstück los. Wir kamen an der Hatlaskardhütte vorbei und es ging dann stetig immer den Berg hinauf. Teilweise war der Weg hier wirklich sehr eintönig und die Sonne brannte für Norwegen ungewöhnlich heiß auf uns runter. So machten wir auch an einem großen Stein Rast, die einzige Schattenstelle weit und breit.

Wir kamen nun immer höher und begegneten noch ein paar Schafen auf dem Weg. Deren Glocken und der Wind sind zum größten Teil die einzigen Geräusche, welche man hier in der Weite hört. Dann kam noch der letzte Anstieg, welcher es wirklich in sich hatte. Hinauf ging es über ein Schneefeld. Wir hatten dazu eigentlich keine Lust und fingen an rum zu albern. Wir hatten große Mülltüten dabei, in denen wir unsere Rucksäcke über Nacht lagerten, damit sie nicht nass werden und Georg versuchte nun auf diesen Mülltüten den Berg hinunter zu rutschen. Es gelang nur leidlich und wir machten uns dann irgendwann doch an den Aufstieg, welcher besonders mir ziemlich schwer fiel. Am Ende stand der Rest meiner Familie oben und motivierte mich über das letzte Stückchen. Oben angekommen hatten wir dann nach einiger Zeit schon eine gute Nahsicht auf den Hårteigen. Wir kamen noch an einer kleinen DNT Hütte vorbei, an der wir einen kleinen Bach furten mussten. Dort begegneten uns zwei junge Norwegerinnen. Ich sprach sie an und fragte, ob der Aufstieg auf den Hårteigen auch für ein Kind zu schaffen war. Lässig winkten sie ab. Ja, es wäre nicht schwer, nur ein paar Felsen. Okay, das machte mir Mut und so kamen wir in ein Flusstal am Fuße des Hårteigen, wo wir dann erst einmal unser Lager aufschlugen.

Wir spazierten ein wenig am Fluss entlang und entdeckten einen schönen Wasserfall. Hier beschlossen wir zu duschen, denn der Fluss war zu flach zum Baden. Leider lag der Wasserfall im Schatten der Berge und es war wirklich kalt. Auch war das Wasser nicht soo angenehm, da es hart herunter prasselte und wir uns nur am Rand darunter trauten. Aber egal, nur die Harten kommen in den Garten.

Dann kochten wir uns noch einen Kaffee und beschlossen noch das Tageslicht auszunutzen und auf den Hårteigen zu klettern. Es blieb zu dieser Jahreszeit ja auch lange hell, so dass wir nicht befürchten mussten, von der Dämmerung überrascht zu werden. Ich überlegte hin und her, ob ich wirklich mitgehen wollte. Berge erklimmen ist nicht so meins, aber am Schluss siegte mein Ego. Ich wollte mir nicht nachher erzählen lassen, dass ich Angst davor gehabt hätte.

Am Fuß des Berges hatten wir schon eine schöne Weitsicht. Also dafür musste ich eigentlich nicht hoch aber egal. Robert und Georg kletterten schon drauf los, einen steilen Geröllhang über Felsen und loses Gestein. Es war ein Kampf für mich. Auf der Hälfte bekam ich dann glatt eine leichte Panikattacke. Ich konnte nicht runter schauen und die weichen Beine waren nicht hilfreich beim Weiterklettern. Guido hastete Georg hinterher um ihn im Auge zu behalten und Robert kam zu mir, um mir Mut zu machen und das gab mir dann wirklich Kraft weiter zu machen. Ich musste an die Norwegerinnen denken, für die das hier ein Klacks war.

Irgendwann war dann die Geröllspalte zu Ende und vor uns lag ein zwei Meter hoher Felsbrocken mit senkrechten Kanten. Dieser musste nun noch überwunden werden. Von oben hingen mehrere mehr oder weniger vertrauenserweckende Kletterseile herab, welch nun zu Hilfe genommen werden mussten, um an diesem Fels hoch zu klettern. Die Enden der Seile waren im Schnee festgefroren und sie fassten sich auch vereist an. Guido und Georg schauten schon von oben herunter und ich fragte mich, wie sie das geschafft hatten. Ich musste da auch rauf!

Unter mir ein steiler Geröllhang, der meinen Sturz nicht bremsen würde. Abwärts würde es im Fall eines Sturzes nur in Purzelbäumen gehen. Also nicht stürzen und nicht nach unten schauen. Robert gab mir von unten Hilfestellung und Guido von oben und so bewältigte ich auch dieses Stück. Oben ging es dann zwar eben aber einen sehr schmalen Pfad am Rande des Abgrundes weiter. Dann erreichten wir endlich das Plateau. Ausgepauert und mit zitternden Beinen setze ich mich auf einen Felsen und beschloss, dass ich hier jetzt nicht mehr weitergehen will. Die anderen nahmen noch die letzten 100 m zum Gipfelkreuz.

Die Aussicht war wirklich grandios. Außerdem hatten wir hier bestes Handynetz, denn oben auf dem Hårteigen gab es doch glatt einen Funkturm. Aber trotz der Höhe, auch hier wieder Mücken!

Der Abstieg dann war weniger schlimm aber auch nicht leicht. Ich rutschte meistens auf meinen Hosenboden herunter um Stürze zu vermeiden und riskierte lieber eine kaputte Hose. Aber die hatte gute Qualität und hat es überlebt.

Es begann nun doch dämmerig zu werden, aber bis zur Dunkelheit blieb noch viel Zeit. Unten begegnete uns dann ein Norweger, der sich erkundigte, ob an dieser Stelle ein Aufstieg möglich war. Wir wunderten uns, dass er zum jetzigen Zeitpunkt noch den Aufstieg wagen wollte, aber flink und leichtfüßig stieg er den Hang empor und würde die Strecke sicher in einem Drittel unserer Zeit bewältigen. Verrückt! Die hatten Gemsenblut!

 

Tag 3 Alles tut weh

Zurück würde unser Weg über die Todalshütte zurück nach Hadlaskard führen. Wir beschlossen aber die westliche Route durch Brische zu nehmen. Auch dieser Tag war wieder sehr sonnig, so dass wir uns bald nach Schatten sehnten. Mücken und Bremsen waren unsere ständigen Begleiter und unser Anti-Brumm-Spray war ständig im Einsatz. Am Anfang dieses Tages ging es erst einmal eine ganze Zeit munter abwärts bis ins Tal. Wir kamen sogar kurz durch einen kleinen lichten Birkenwald. Die Bäume erreichten allerdings kaum die 2 m Marke. Aber es war eine willkommene Abwechslung. Unten mussten wir über eine Hängebrücke den Fluss durchqueren. Hier war ein schöner kleiner sandiger Strand am Flussufer. Obwohl wir eigentlich noch gar keine Rast benötigten, wollten wir diese Gelegenheit aber auch nicht auslassen. So beschlossen wir, hier noch zu halten und nahmen im Fluss ein schönes Bad. Der weitere Weg führte wieder zum großen Teil durch niedrige Büsche, in denen viele Rotkehlchen zu Hause waren. Der einzige Mensch, welchen wir heute trafen, war ein Mann, welcher gerade die Nord-Süd-Querung der Vidda machte. Respekt! Robert klagte heute über starke Knieschmerzen und bat darum, einen meiner Wanderstöcke benutzen zu dürfen. Warum lachen eigentlich immer alle, wenn ich sie einpacke? Irgendwer braucht immer irgendwann einen. Eigentlich benötigte ich ja auch nur einen und hatte ihn  vorsorglich für Guido mitgenommen, da wir auf unserer ersten Tour festgestellt hatten, dass ein Wanderstock bei Flussdurchquerungen durchaus hilfreich sein kann. Diese Wanderung stellte uns bisher aber solche Herausforderungen nicht und so war ich froh, ihn nicht ganz umsonst mitgeschleppt zu haben.

Irgendwann ging es wieder aufwärts und wir fingen dann auch an zu schwächeln. Robert konnte schlecht laufen und Georg klagte über Übelkeit und Kopfschmerzen und ich hatte mir Blasen gelaufen. Wir beschlossen also an der nächsten schönen Stelle Rast zu machen und den weiteren Anstieg auf Morgen zu verschieben. Guido fand es eigentlich noch zu früh und wollte lieber weitergehen. Aber uns trieb nichts und die morgige Strecke war auch so gut zu schaffen.

Also beschlossen wir an einem schönen Bach, der auch zum Baden tief genug war, unsere Zelte aufzubauen. Robert kümmerte sich dann wieder um ein kleines Feuer, sodass wir auch bald eine warme Mahlzeit hatten. Georg legte sich gleich ins Zelt und wollte auch nicht baden. Ich glaube, er hatte einen kleinen Sonnenstich und ich musste meine Füße versorgen. Obwohl ich schon mehrfach mit den gleichen Schuhen unterwegs war und niemals damit Blasen hatte, litt ich dieses Mal sehr darunter.

Tag 4 Blasenfüße

Am nächsten Tag war dann der Himmel bewölkt. Georg ging es wieder besser und so konnten wir frisch den Aufstieg angehen. Der Weg war echt ermüdend. Es kam immer noch ein Hügel. Es war gestern die richtige Entscheidung gewesen, Rast zu machen. Es kam auch keine weitere so schöne Stelle. Also machte es sich wieder bezahlt, dass man solche schönen Plätze auch nutzen sollte, wenn man sie fand.

Irgendwann ging es aber auch wieder hinab und Hedlo kam in Sichtweite. Wir kamen an einer großen Brücke vorbei, an welcher wir wieder rasteten, dieses Mal ohne Bad, denn dafür war der Fluss nicht so gut geeignet. Meine Füße quälten mich ganz schön. Wer schon einmal mit blasigen Füßen gewandert ist, weiß wovon ich rede. Ich blieb heute oftmals zurück und musste mein eigenes Tempo laufen. Irgendwann kamen wir in ein Gebiet, in welchem dann wieder vereinzelt Bäume wuchsen. Diesen Weg sind wir schon auf dem Hinweg gegangen. Wir kamen an kleinen privaten Hütten vorbei. Vor einer stand eine kleine Bank und so nutzten wir die Gelegenheit zum Verschnaufen, bevor es an den letzten großen Aufstieg ging.

Irgendwann dachte ich dann beim letzten Stück, dass ich nicht mehr könne und musste ordentlich kämpfen und als wir dann endlich wieder beim Auto ankamen, zog ich als erstes meine Schuhe aus. Das war eine Wohltat. Ich konnte selbst in Sandalen nur noch unter Schmerzen laufen. Dieses Mal gönnten wir uns eine Hütte des Campingplatzes. Eine heiße Dusche und die Welt war wieder in Ordnung. Am Morgen gab es dann eine köstliches Frühstück aus Eierkuchen mit Blaubeeren im Restaurant.

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